Übermäßiger Medienkonsum gefährdet Gesundheit von Kindern und Jugendlichen. Drogenbeauftragte fordert mehr „digitale Fürsorge“

Die Möglichkeiten und Chancen der Digitalisierung stehen außer Frage. Doch die Digitalisierung ist nicht ohne Risiko, zumindest dann, wenn der Medienkonsum außer Kontrolle gerät: Die Zahlen internetabhängiger Jugendlicher und junger Erwachsener steigen rasant – mittlerweile gehen Experten von etwa 600 000 Internetabhängigen und 2,5 Millionen problematischen Nutzern in Deutschland aus. Mit der heute vorgestellten BLIKK-Medienstudie werden nun auch die gesundheitlichen Risiken übermäßigen Medienkonsums für Kinder immer deutlicher. Sie reichen von Fütter- und Einschlafstörungen bei Babys über Sprachentwicklungsstörungen bei Kleinkindern bis zu Konzentrationsstörungen im Grundschulalter. Wenn der Medienkonsum bei Kind oder Eltern auffallend hoch ist, stellen Kinder- und Jugendärzte weit überdurchschnittlich entsprechende Auffälligkeiten fest.

Höchste Zeit für mehr digitale Fürsorge
Dazu die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler: „Diese Studie ist ein absolutes Novum. Sie zeigt, welche gesundheitlichen Folgen Kinder erleiden können, wenn sie im digitalen Kosmos in der Entwicklung eigener Medienkompetenz allein gelassen werden, ohne die Hilfe von Eltern, Pädagogen sowie Kinder- und Jugendärzten. Für mich ist ganz klar: Wir müssen die gesundheitlichen Risiken der Digitalisierung ernst nehmen! Es ist dringend notwendig, Eltern beim Thema Mediennutzung Orientierung zu geben. Kleinkinder brauchen kein Smartphone. Sie müssen erst einmal lernen, mit beiden Beinen sicher im realen Leben zu stehen. Unter dem Strich ist es höchste Zeit für mehr digitale Fürsorge – durch die Eltern, durch Schulen und Bildungseinrichtungen, aber natürlich auch durch die Politik.“

Erkenntnisse auf breiter Basis
Unter der Schirmherrschaft der Drogenbeauftragten und mit Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit hat das Projekt „BLIKK‐Medien“ 5.573 Eltern und deren Kinder zum Umgang mit digitalen Medien befragt und gleichzeitig im Rahmen der üblichen Früherkennungsuntersuchungen die körperliche, entwicklungsneurologische und psychosoziale Verfassung umfangreich dokumentiert. Die Studie geht weit über die üblichen Befragungen zu Mediennutzung hinaus.
Die Ergebnisse wurden heute gemeinsam mit den Studienleitern im Ministerium vorgestellt. Dies sind der Direktor des Instituts für Medizinökonomie und medizinische Versorgungsforschung der Rheinischen Fachhochschule Köln, Prof. Dr. Rainer Riedel (Arzt für Neurologie/Psychiatrie, Psychotherapie) sowie Dr. med. Uwe Büsching, Kinder- und Jugendarzt und Vorstandsmitglied des Berufsverbands der Kinder –und Jugendärzte (BVKJ).

Nur wer fest im realen Leben steht, kann digitale Medien unbedenklich nutzen
Institutsleiter Prof. Dr. Riedel dazu: „Als Fazit der Studie ergibt sich, dass der richtige Umgang mit den digitalen Medien, die durchaus einen berechtigt hohen Stellenwert in Beruf und Gesellschaft eingenommen haben, frühzeitig kontrolliert geübt werden soll. Dabei müssen soziale und ethische Werte wie Verantwortung, reale Kommunikation, Teamgeist und Freundschaft auf allen Ebenen der Erziehung gefördert werden. Kinder und junge Menschen sollen lernen, die Vorteile einer inzwischen globalen digitalen Welt zu nutzen, ohne dabei auf die Erlebnisse mit Freunden im Alltag zu verzichten.“

Intensive Beratung von Eltern zur Mediennutzung spart Ergo- oder Sprachtherapie
Kinderarzt und Vorstandsmitglied des BVKJ, Dr. Büsching zu den Ergebnissen der Studie: „Die Sorge der Eltern, ein Kind möge die besten Bedingungen für sein zukünftiges Leben vorfinden, gilt ebenso für Kinder- und Jugendärzte. Mit vorschneller Verordnung von Ergo- oder Sprachtherapie allein lassen sich Gefahren nicht abwenden. Gerade, wenn das Verhalten oder die Entwicklung auffällig ist, sollte immer auch ein unangebrachter Umgang der Eltern wie der Kinder mit Medien in Betracht gezogen werden. Eine Medienanamnese und eine qualifizierte Medienberatung muss zukünftig die Früherkennungsuntersuchungen ergänzen.“

Die wesentlichen Ergebnisse im Überblick:

  • 70 % der Kinder im Kita-Alter benutzen das Smartphone ihrer Eltern mehr als eine halbe Stunde täglich.
  • Es gibt einen Zusammenhang zwischen einer intensiven Mediennutzung und Entwicklungsstörungen der Kinder
  • Bei Kindern bis zum 6. Lebensjahr finden sich vermehrt Sprachentwicklungsstörungen sowie motorisch Hyperaktivität bei denjenigen, die intensiv Medien nutzen
  • Wird eine digitale Medienkompetenz nicht frühzeitig erlernt, besteht ein erhöhtes Risiko, den Umgang mit den digitalen Medien nicht kontrollieren zu können

Weitere Informationen zum Thema Internetsucht und zur Studie finden Sie unter
www.drogenbeauftragte.de

Dies ist eine gemeinsame Pressemeldung der Drogenbeauftragten des Bundesministeriums, der Rheinischen Fachhochschule Köln und des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte e.V.

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