Ein Verband verschiedener medizinischer Fachgesellschaften hat eine über 50 Seiten starke Leitlinie veröffentlicht, die dabei helfen soll, schadhaft wirkende Nutzung von Smartphone, Tablet und anderen Bildschirmmedien vorzubeugen.
Die Tipps für Eltern, Jugendliche, Lehrerinnen und Lehrer sind gleich am Anfang zu finden:
Allgemeiner Leitsatz ist dabei:
Je weniger Bildschirmzeit, desto besser.
Eltern sollen informiert und unterstützt werden,…
- Kinder unter 3 Jahren von jeglicher passiven und aktiven Nutzung von Bildschirmmedien fernzuhalten.
- falls sie ihre Kinder im Alter von 3 bis 6 Jahren an die Nutzung von Bildschirmmedien heranführen möchten, dies höchstens 30 Minuten an einzelnen Tagen zu gestatten, und nicht ohne Anwesenheit der Eltern.
- Kindern im Alter von 6 bis 9 Jahren die freizeitliche Nutzung von Bildschirmmedien höchstens 30 bis 45 Minuten an einzelnen Tagen zu gestatten.
- Kindern unter 9 Jahren keine eigene Spielkonsole zugänglich zu machen.
- Bildschirmmedien nicht zur Belohnung, Bestrafung oder Beruhigung einzusetzen.
- während des Essens, insbesondere der gemeinsamen Mahlzeiten, keine Bildschirmmedien zu nutzen und bei der Nutzung von Bildschirmmedien nicht zu essen.
- sich für die digitalen Aktivitäten ihrer Kinder zu interessieren und diese kritisch zu begleiten.
- die Gefahr einer problematischen Nutzung von Onlinemedien zu beachten (einschließlich evtl. Suchtentwicklung), die Bildschirmnutzung Heranwachsender regelmäßig, gegebenenfalls gemeinsam, zu reflektieren sowie im Zweifel anerkannte Tests zu nutzen und im Bedarfsfall professionelle Hilfe zu suchen.
Eltern und Geschwister sollen informiert und unterstützt werden,…
- sich ihrer eigenen Vorbildfunktion für die aktive und passive Bildschirmnutzung bewusst zu sein.
- in Gegenwart von jüngeren Familienmitgliedern auf die Nutzung von Bildschirmmedien zu verzichten.
Eltern und Lehrer*innen sollen informiert und unterstützt werden, auf digitalen Fernunterricht wann immer möglich zu verzichten.
Und warum sind diese Tipps notwendig?
Die Risiken und das Schädigungspotential für Kinder und Jugendliche, so das Ergebnis dieser Leitlinie sind enorm.
Als die zwölf Hauptrisiken und Risikogruppen werden benannt:
- Übergewicht
- Schlafstörungen
- Augenerkrankungen
- Entwicklungsstörungen (Feinmotorik, Grobmotorik, Sprache)
- Bindungsstörung
- Verhaltensstörungen
- Internetnutzungsstörungen (Internetsucht)
- Mobbing und sexuelle Belästigung
- Glücksspiel
- Strahlung
- Bildschirmmedien in der Schwangerschaft
- Bildschirmmedien und Kinder mit besonderen Bedürfnissen.
Aus aktuellem Forschungsstand Handlungsempfehlungen erarbeitet
Das Ziel der vorliegenden Leitlinie ist es, einen Überblick zum aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand in Bezug auf dysregulierten Bildschirmmediengebrauch in der Kindheit und Jugend sowie den damit verbundenen Risiken und Umgangsmöglichkeiten darzustellen.
Darauf aufbauend werden Empfehlungen von Expert*innen zur Prävention von zeitlich, inhaltlich oder funktional problematischer Nutzung von Bildschirmmedien durch Kinder und Jugendliche und ihre Bezugspersonen innerhalb der pädiatrischen Versorgung aufgestellt. Diese sollen die Beziehung zwischen Exptert*in und Patient*in bzw. Klient*in unterstützen und konkrete Handlungsempfehlungen für den Einsatz und Umgang mit Bildschirmmedien geben.
Starker Bezug zur Verantwortung und Mitwirkung der Eltern
Weiterhin werden interessierten Eltern ebenfalls Empfehlungen zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in der Familie gegeben. Dies umfasst:
- Möglichkeiten, wie Eltern einerseits direkt durch verbale Vereinbarungen und Regeln, andererseits durch Nutzung von technischem Kinderschutz auf Hardware oder Softwareebene regulierend auf den digitalen Medienkonsum ihrer Kinder einwirken können,
- wie Eltern indirekt über eine Stärkung allgemeiner Erziehungskompetenzen, sowie Anregungen für eine aktive bildschirmfreie Alltagsgestaltung für Kinder unterstützt werden, alltagstaugliche Alternativen zum Bildschirm als „Babysitter“, „Streitschlichter“, „Belohnung/Bestrafung“ etc. zu entwickeln, und
- der elterliche Medienkonsum reguliert werden kann, um eine Gefährdung der Beziehungs- und Bindungsqualität zwischen Eltern und insbesondere ihren kleinen Kindern zu vermeiden.
Herausgeber der “Leitlinie zur Prävention dysregulierten Bildschirmmediengebrauchs in Kindheit und Jugend” (PDF; 1,3 MB) sind:
- Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin e.V. (DGKJ)
- Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e.V. (DG-Sucht)
- Deutsche Gesellschaft für Sozialpädiatrie und Jugendmedizin e.V. (DGSPJ)
- Deutsche Gesellschaft für Sozialmedizin und Prävention e.V. (DGSMP)
- Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte e. V. (BVKJ)
- Gesellschaft für Seelische Gesundheit in der Frühen Kindheit (GAIMH)
- Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
- Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft e.V. (DGHWi)
- Deutsche Gesellschaft für Psychologie e.V. (DGPs)
- Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes e. V. (BVÖGD)
- Fachverband Medienabhängigkeit e.V.
Mit Material der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e. V. Das Aufmacherbild stammt von Andi Graf auf Pixabay